Werkstatt eines Mandolinenbauers
© Archiv Musik- und Wintersportmuseum
Tafel 10 Besiedlung durch Exulanten: das Quittenbach
Im 16. und 17. Jahrhundert bestritten die wenigen Menschen in diesem Landstrich mit kärglichem Boden und rauer Natur ihren Lebensunterhalt überwiegend aus Waldwirtschaft und der wachsenden Nachfrage nach Eisen und Zinn, woraufhin zahlreiche Hochöfen, Frischhütten und Hammerwerke gegründet wurden.
Vor dem Hintergrund des Dreißigjährigen Krieges (1618 – 1648) darf man durchaus annehmen, dass bereits die Gründungsjahre der heutigen Klingenthaler Ortsteile insbesondere mit der Besiedlung durch böhmische Exulanten in Verbindung stehen: Denn nach der verlorenen Schlacht am Weißen Berg (Bilá Hora) bei Prag 1620 begann in Böhmen die Rekatholisierung durch den Kaiser, den Habsburger Ferdinand II.. Die Gegenreformation durch die österreichische Herrschaft führte dazu, dass die Protestanten aus Böhmen über die Landesgrenze in das Land der Wettiner nach Sachsen übersiedelten.
1625/26 und 1628 wurden unter anderem die Siedlungen Untersachsenberg und Brunndöbra gegründet – Orte, welche in der Gegenwart als Ortsteile zur Stadt Klingenthal gehören.Es war die Zeit, als sich nicht nur die Bevölkerung im Klingenthaler Raum durch böhmische Exulanten allgemein vervielfachte, sondern sich auch ein neues Handwerk ansiedelte, nämlich der Instrumentenbau. Denn nachweislich finden sich in Klingenthals Nachbarstadt Graslitz (heute: Kraslice, Tschechische Republik) jenseits der Grenze auf böhmischer Seite in der Traumatrik der Kirche Erwähnungen von Geigenmachern. Auf diesem Weg kam auch das Wissen um den Geigenbau in den Klingenthaler Raum.
Am 24. Januar 1716 trat die Geigenmacherinnung Klingenthal zu ihrem Gründungskonvent zusammen.
Die Meister gaben jedoch nicht immer den allgemeinen Ortsnamen KLINGENTHAL auf den Zetteln in ihren Instrumenten an. Anstelle dessen finden sich auch die Namen der kleineren Siedlungen, der heutigen Ortsteile, etwa Brunndöbra, Untersachsenberg oder Zwota. Gelegentlich kam es sogar vor, dass der genaue Wohnort (anstelle einer präzisen Adressangabe, welche damals mangels gewidmeter Straßen nach heutigem Vorbild gar nicht möglich war) vermerkt wurde: So ist das Siedlungsgebiet „Quittenbach“ ein solches Beispiel für eine Ortsangabe auf Geigenzetteln.
Um 1840 hatten die sieben Landgemeinden in den Tälern der Döbra und Zwota (Oberzwota, Zwota, Klingenthal, Brunndöbra, Untersachsenberg, Obersachsenberg und Georgenthal mit Steindöbra und Aschberg) zusammen 5800 Einwohner. Schließlich fanden auch die Herstellung weiterer Orchesterinstrumente sowie die Zungeninstrumentenfertigung ihren Weg nach Klingenthal.
1913 lieferte Klingenthal mehr als die Hälfte des Weltbedarfs an Harmonikas. Der Geigenbau war zu dieser Zeit bereits größtenteils vom Mund- und Handharmonikabau verdrängt worden.
Der Instrumentenbau brachte der Bevölkerung bescheidenen Wohlstand. Das Zeitalter der Industrialisierung und die zunehmende Globalisierung machten Klingenthal zu einem Weltzentrum des Instrumentenbaus. Im Jahr 1920 betrug die Einwohnerzahl im gesamten Amtsgerichtsbezirk 17.300. Die Geigenmacher hatten dazu einst den Grundstein gelegt
„Das Quittenbach“ – zwischen Böhmen und SachsenCaspar Hopff (1650 – 1711) gilt als Urvater des Klingenthaler Geigenbaus. Begründet ist dies nicht zuletzt auch wegen der von ihm selbst entwickelten gestalterischen Bauweise von Violinen, dem berühmten Hopff-Modell.
Nach heutiger Quellenlage war er der erste Geigenmacher in Klingenthal. Angesiedelt hat sich die aus Graslitz stammende Familie im Quittenbachtal. Gleich dort, wo der gleichnamige Gebirgsbach die Grenze zwischen Böhmen und Sachsen markiert. Ähnliche klimatische Bedingungen und dieselben Holzvorkommen machten die Fortführung des Instrumentenbaus auch auf sächsischer Seite unkompliziert.
1716 befinden sich die Söhne Caspar Hopffs unter den Gründungsmitgliedern der Geigenmacherinnung Klingenthal. Der Meister und Initiator
Caspar Hopff selbst erlebt diesen bedeutenden Moment nicht mehr. Längst aber gleicht „sein“ Quittenbach einer regionalen Herkunftsmarke, denn der enge Gebirgseinschnitt war vermutlich das erste Siedlungsgebiet gleich mehrerer Meister, deren Instrumente besondere Qualität versprachen.
Schon um 1800 machten sich dies auch die am Profit orientierten Instrumentenhändler zunutze und der schwunghafte Handel mit gefälschten Zetteln kurbelte das florierende Geschäft mit den Instrumenten zusätzlich an und trieb die Preise in die Höhe.
„Johann Krauß Violinmacher in Quittenbach 1672“:
Die Violine mit diesem Zettel wurde wahrscheinlich von Johann Adam Krauß (1764 – 1815) aus Markneukirchen gefertigt. Sowohl die Altersangabe, als auch die geografische Ortsangabe Quittenbach wurden aus Wertsteigerungsgründen wissentlich falsch angegeben. Das hat bei diesem Instrument auch eine dendrochronologische Holzuntersuchung zweifelsfrei ergeben.
Signaturen von Violinen mit der Ortsangabe des „Quittenbach“ (heutige Schreibweise) sind besonders bei Geigen in Verbindung mit dem Namen Hopf zu finden: „Friedrich Carl Hopf Geigenmacher und Baßmacher zu Quittenbach 1805“
Die Identität dieses Geigenmachers gilt als umstritten. In keinem Kirchenbuch der Umgebung ist jemals ein Geigenmacher seines Namens erwähnt.
Selbst die fiktive Erschaffung von Geigenmachern aus dem Quittenbach aus kommerziellen Gründen beweist, dass die Besiedlung durch Exulanten für Klingenthal von Vorteil war: Das Wissen um den Geigenbau brachte dem vorher nur dünn besiedelte Tal an Döbra und Zwota eine neue Zukunftsperspektive ein. Das Quittenbach gehört siedlungsgeschichtlich zum Ursprung dieser bis heute währenden Geschichte Klingenthals als Musikstadt.