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Stadtgeschichten(n) Folge 26: Textile Großverdiener
Allgemein gültig für die Klingenthaler Stadtgeschichte ist, dass der Musikinstrumentenbau den Einwohnern im Klingenden Tal spätestens seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts einen gewissen Wohlstand bescherte. Doch gab es einen weiteren prägenden Industriezweig, der im Raum Klingenthal für Arbeitsplätze sorgte und den Firmeneigentümern beachtliches Vermögen einbrachte: Die Textilindustrie – im Raum Chemnitz und Plauen bereits mit Weltgeltung versehen - strahlte im 19. Jahrhundert auch bis nach Klingenthal aus.
Der Umgang mit Weißware, Spitze und Stickereiwaren war den Einwohnern des Klingenden Tales schon im 18. Jahrhundert nicht unbekannt, schließlich war das Klöppeln eine bereits verbreitete Handarbeit und brachte sogar einen bedeutenden Sohn hervor: 1792 wurde Christian Traugott Grimm als Sohn eines Klingenthaler Bogenmachers geboren. Bereits in jungen Jahren erlernte Grimm das Spitzenklöppeln. Vermutlich wurde diese Arbeit aus wirtschaftlicher Notlage heraus in der Familie bereits praktiziert. Grimm begann sich intensiver mit dem Klöppeln zu beschäftigen. 1823 wurde sein Klöppelcurriculum veröffentlicht. Die Königliche Klöppelschule im erzgebirgischen Schneeberg kaufte Grimm das Lehrwerk ab. Inhaltlich sah es das schrittweise Erlernen der Klöppelkunst vor, welche schließlich zu einer Erhöhung der Produktivität führen sollte. Bereits mit der Leitung der Klöppelschule betraut, starb am 12. Juni 1828 Christian Traugott Grimm im Alter von nur 36 Jahren. In den folgenden Jahrzehnten wurde das Spitzenklöppeln in Klingenthal von der Stickerei größtenteils verdrängt.
1799 kam „Johanne Magaretha Uhlmann aus dem Baireuthischen“ nach Klingenthal und brachte das Wissen über die Stickerei mit. Für fast 200 Jahre wurde diese Tätigkeit besonders für die Menschen in den Ortteilen Sachsenberg (mit Obersachsenberg und Aschberg), Brunndöbra und Zwota zu einer festen Einkommensquelle. Um 1800 war das Sticken noch reine Handarbeit. Den Unterricht erteile Johanna Magarethe Uhlmann anfangs selbst. Dabei handelte es sich um die sogenannte „Schweizernähterei“, die Tambour-Stickerei (auch Tamburin-Stickerei). Der Stich erfordert es, dass man den Stoff stramm in einen Rahmen spannt, wie bei einer Trommel, dem sogenannten „Tamburin“. Benutzt wird außerdem eine spezielle Nadel, die sogenannte Tambournadel, welche in Gestalt einer sehr feinen Häkelnadel mit spitzem Widerhaken gleicht. Mit dieser stachen die Stickerinnen von oben durch den gespannten Stoff, nahmen unten den Faden auf und zogen ihn wieder nach oben, wiederholten das Ganze in Abständen. Das Fadenbild ergab schließlich mittels Kettenstich eine Schlaufenreihe. Im Prinzip „häkelten“ sich die Sticker und Stickerinnen durch den Stoff und gestalteten so Tischdecken, Kleidungsstücke, Accessoires und Wäsche. Chronist Arthur Müller berichtet, dass in den ersten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts die Stickerei einen der „hauptsächlichsten Erwerbszweige“ bildete. Dass unter den Ausführenden nicht nur Frauen, sondern auch zahlreiche Männer waren, beschreibt Pfarrer Wolf: „Auch Mannspersonen bringen wohl hin und wieder ihr Tagewerk am Stickrahmen zu.“ In der Zweiten Hälfte des 19. Jahrhundert ersetzten zunehmend mit Fußpedalen betriebene Maschinen die reine Handarbeit. In Gestalt einer Nähmaschine aber mit der besonderen Tambour-Nadel ausgestattet, erhöhten sie die Produktivität um ein Vielfaches. Noch im 20. Jahrhundert fertigten Frauen und Männer in Heimarbeit die Tambour-Stickereien. Es berichtet auch Chronist Kurt Erich Dörfel, dass: „in Klingenthal 6, in Untersachsenberg 12, in Obersachsenberg 1, in Georgenthal 2, in Zwota 2“ Stickereien existieren, hinzu kamen in Untersachsenberg 7 und in Obersachsenberg 13 Stickereiwarenhändler. Geliefert wurden die Stickwaren nach Eibenstock ins Erzgebirge ebenso, wie in die Spitzenstadt Plauen. Die Firma Surmann aus Kingenthal unterhielt in der vogtländischen Spitzenstadt eine Niederlassung. Doch nicht nur dort, sondern auch in Australien und den USA. Geld ließ sich in der Textilbranche der damaligen Zeit allemal verdienen und einige Villen im Stadtgebiet erhielten ihr Fundament durch das Erblühen dieses Wirtschaftszweiges. Erinnert sei an dieser Stelle an die Villa Surmann (im Volksmund „Kreml“ genannt), einst in Besitz von Friedrich Hugo Surmann. Ganz sicher zählte die Familie Surmann zu den reichsten Fabrikanten im Raum Klingenthal und stand etwa Mund- und Handharmonikafabrikanten in Sachen Vermögen in Nichts nach. F.H Surmann selbst hatte den Titel eines Kommerzienrates erworben, war Gemeinde- und später Stadtrat. Zum Bau des Klingenthaler Rathauses stiftete er die Holzvertäfelung des Ratssaales. Am Beispiel dieser Firma lässt sich beispielhaft das traurige Kapitel des Niedergangs der Textilindustrie von Klingenthal beschreiben: Durch Flucht und Vertreibung und die Teilung Deutschlands gingen viele Fachkräfte gen Westen, 1963 erhielt die Firma staatliche Beteiligung, wurde 1972 völlig enteignet, Karl Friedrich Falk Surmann leitete in vierter Generation die Firma, wurde Betriebsleiter des volkeigenen Betriebes .Als der VEB Spitzen- und Blusenkonfektion zu einem der leistungsfähigsten Betriebe der Textilindustrie geworden war, trat Surmann zurück. Noch immer wurde auf den 1911/12 angeschafften Maschinen produziert – bis zur Wende. 1992 wurde der Betrieb über die Treuhandanstalt reprivatisiert, viele Mitarbeiter entlassen. Falk Surmann wurde Vorsitzender des Branchenverbandes und setzte sich für das Überleben der Spitzenindustrie ein. Die Produktionsstätten seiner Vorfahren in Klingenthal waren längst geschlossen und sind inzwischen mehrheitlich abgerissen. Im Musik- und Wintersportmuseum befindet sich umfangreiches Material zur Geschichte der Textilindustrie von Klingenthal.URL: | |
Titel: | Folge 26 |
Druckdatum: | 21.11.2024 |