Folge 21
Kartierung: Die bislang älteste bekannte Darstellung der Ortschaft Klingenthals auf einer Vermessungskarte aus den Jahren 1653-1666. Da „fält die Steinteber in die Zwotta“ ist jene Stelle, wo 1591 der „Hellhammer“ errichtet wurde. Der obere Siedlungsteil mit Schloss kam erst 1628 hinzu. Das eigene „Holzkirchlein“ stand seit 1653, anfangs ohne einen Glockenturm, wie Chronist Wolf berichtet.

Folge 21

Stadtgeschichte(n) Folge 21: Zwischen Helle und Hölle…

Auf den Namen „Hellhammer“ lautet 1591 die erste Erwähnung des Ortes, aus dem später Klingenthal wurde. Obwohl sich die „Helle“ von dem althochdeutschen Wort für ein „tief eingeschnittene Tal“ ableitet, liegt der Gedanke an die „Hölle“ nah, denn über Jahrhunderte konnte von der „guten alten Zeit“ keine Rede sein:

Im Jahr 2021 ist die erstmalige urkundliche Erwähnung unserer Ortslage genau 530 Jahre her. 1591 nahm Sebastian Köppel 95 Waldlehen zum Anlegen eines Eisenhammerwerkes auf. Das große Holzvorkommen in Verbindung mit dem Zusammenfluss der wasserreichen Bächen Döbra und Zwota hatte den Anlass gegeben, den Hammer genau an jener Stelle zu errichten. Die Einwohner von „Hölla“ waren eine Hand voll Bergleute, Schmiede und Köhler, welche in Holzhütten hausten und „sich kümmerlich nährten“, berichtete Chronist Karl August Wolf. 1621 kauft die Familie Boxberger den Erben der Familie Klinger, den Eigentümern des Hellhammers seit 1602, das Lehn ab. Auf Georg Christoph Boxberger geht das Ersuchen nach einer eigenen Pfarrstelle für Klingenthal im Jahr 1630 zurück, welches er an den Sächsischen Kurfürst Johann Georg I. richtete. Grund war der beschwerliche Weg zur Kirche nach Schöneck. Der 30-jährige Krieg schickte zunehmend marodierende Soldaten in die Gegend, Eis und Schnee im Winter und hungrige Wölfe im Wald würden den Leben der Kirchgänger zu gefährlich werden, nannte der Boxberger zur Begründung. Noch unwirtlicher aber wurde das Leben der Einwohner, als Georg Christoph Boxberger starb und sein Sohn Georg Bernhardt die örtliche Herrschaft übernahm. Laut alter Akten soll er „ein roher, wüster, leicht reizbarer Herr, der sich im Zorne und in der Trunkenheit leicht zu Gewaltthätigkeiten hinreißen ließ“ gewesen sein. Er misshandelte seine Untertanen körperlich und verhängte für kleinste Vergehen hohe Geld- und Gefängnisstrafen. Mit jenem Lebenswandel vernachlässigte der Lehnsherr seine Fürsorgepflichten und erpresste von den Einwohnern hohe Abgaben. Während die Familien des kleinen Ortes kaum genug zum Leben hatten, verprasste der Lehnsherr sein Erbe. Einziger Ausweg damals: Die Einwohner hätten sich ihrer Frondienste nur durch den Kauf des Boxbergischen Gutes befreien können. Weil sie aber das notwendige Geld nicht aufbringen konnten, boten sie dem damaligen Gebietsherrscher, Herzog Moritz Wilhelm von Sachsen-Zeitz (der Vogtländische Kreis gehörte durch Erbteilung 1656-1718 nicht zum Kurfürstentum Sachsen) sogar an, Klingenthal in „Moritzstadt“ oder "Moritz-Freystadt“ umzubenennen. Doch der Herzog ging auf das Angebot nicht ein und der Tyrann blieb samt seiner schlechten Manieren bis zu seinem Tod 1677.

Rauhe Natur, Hunger in Folge von Missernten, Krieg und wechselnde Herrschaften zehrten auch am Gesundheitszustand der Einwohner. Regelmäßig suchten Seuchen das tiefeingeschnittene Tal „in der Helle“ heim: Chronist Kurt Erich Dörfel griff in seiner Chronik die Berichte seiner Vorgänger Karl August Wolf und Arthur Müller auf und führt sie fort: Die Pest im Dreißigjährigen Krieg sowieso, die „Bräune“ wie die Diphterie im Volksmund genannt wurde, kostete regelmäßig in den Wintermonaten viele Kinderleben und in warmen Sommern forderte die Ruhr Dutzende Tote. Bessere Wohnverhältnisse, eine bewusstere Ernährung sowie eine ordentliche Trinkwasserhygiene wurden erst im 19. Jahrhundert eingeführt. Doch einige Ereignisse sind scheinbar immer wiederkehrend: 1877 sah sich die österreichische Regierung gezwungen, die Grenze zwischen Böhmen und Sachsen zu schließen. Grund war der Ausbruch der Rinderpest im Regierungsbezirk Zwickau. Chronist Müller berichtet auch, dass im Oktober 1886 die Schule zu Brunndöbra wegen Ausbruchs von Scharlach und Diphterie geschlossen werden musste. Der Spediteur August Dölling schaffte einen Kinderleichenwagen an.

Von der „guten alten Zeit“ kann dabei also ganz und gar nicht die Rede sein und das Wortspiel von „Helle und Hölle“ fällt angesichts jener historischen Begebenheiten leicht. Aber deutschlandweit verstreut befinden sich Orte, welche geografisch in tief eingeschnittenen Tälern liegen und das Wort „Helle“ im Namen tragen. Und doch hat Arthur Müller in seinen „Blicken in die Vergangenheit“ auch eine Sage parat, die den Namen „Höllhammer“ verklärt: Demnach soll eine Gruppe Hammerarbeiter auf dem Weg zur Arbeit im Winter einen Erfrierenden gefunden und mit in die Schmiede genommen haben. Dort sei dieser langsam zum Leben erwacht und beim Anblick der gleisenden Funken und lodernden Flammen geglaubt haben, in die Hölle gekommen zu sein. Gut das der Name KLINGENTHAL jene Verbindung zum „Hellhammer“ nicht in sich birgt. Wenn auch hier die Chronisten gleich mehrere Möglichkeiten der Namensentstehung in Erwägung ziehen, bleibt doch das Wortspiel vom „Klingenden Tal“ das beliebteste, weil es an ein erfolgreiches Kapitel Klingenthaler Geschichte erinnert.

Freikaufgesuch
Ad Acta: Zu den Akten gelegt ist der Versuch der Einwohner, sich 1656/57 vom tyrannischen Lehnsherrn Boxberg loszusagen. Neben dem Angebot, Klingenthal in „Moritzstadt“ umzubenennen, erzählt der Schriftwechsel auch über das unbequeme Leben im Hellhammer-Lehn.

Engel der Leichenkutsche
Himmelsbote: Dieser Engel ist der einzig noch erhaltene von vier Figuren, welche sich auf den Ecken des Daches der Leichenkutsche aus dem Besitz der Familie Dölling befand. Bereits Jahrzehnte stillgelegt, wurde die Kutsche schließlich 1980 an die DEFA als Requisite verkauft, die Figur vorher entfernt, der Retter übergab sie vor einigen Jahren ins Musik- und Wintersportmuseum.




 

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